Mein ganz persönlicher Abstieg. Einmal Schleudergang, ganz nach unten und zurück. Nach 5g Cortison in 5 Tagen. Eine sogenannte Eskalationstherapie bei akuter Krankheitsaktivität der Multiplen Sklerose. Nun kann ich mir selbst einen Höllentrip auf allen Ebenen bescheinigen. Physisch wie psychisch hat mich diese Therapie einmal auf links gedreht. Es fühlt sich gerade so an, als versucht sich alles in mir neu zu justieren.
Wie es begann
Montags Vormittag saß ich mit einem schönen Latte Macchiato auf meiner Couch. Doch irgendwie war etwas anders. Beim Schlürfen überlegte ich was nicht passt. Plötzlich traf mich die Erkenntnis wie ein Blitz. Meine Lippe ist irgendwie komisch, die macht nicht richtig mit. Nach eingehender Abtastung, stellte sich heraus dass meine linke Gesichtshälfte beschlossen hat sich taub zu stellen. So ging ich in mich und wog ab was zu tun ist. Über 5 Jahre war es her, dass ich solche oder ähnliche Symptome an mir beobachten konnte. Die Multiple Sklerose meldete sich mit voller Wucht zurück. Das riss mich sprichwörtlich von den Beinen, die mir auch nach und nach den Dienst versagten.
Krankenhausaufenthalt gebucht

Nach einer E-Mail und einem Telefonat war der Weg ersichtlich. Krankenhaus ! Am Besten sofort. Als alleinerziehende Mutter mit Haustieren, leichter gesagt als getan. So dauerte es bis zum Abend das Ganze zu organisieren. Nach dem die Betreuung des Kindes und der Fellnasen gesichert war, fuhr mich meine liebe Nachbarin am nächsten Morgen in die Notfallambulanz. Eine Stunde brauchte es, bis mich ein Neurologe untersuchte, ein bisschen quälte und dann für würdig des Aufenthaltes befand. Nur Betten, auf der Neurologie, waren Mangelware. Der Doc legte sich richtig ins Zeug und so landete ich auf der No-Pain- Unit Station im Keller des Klinikums. Da das Laufen immer schwieriger wurde, hatte ich meine eigene Chauffeurin, die mich samt Gebäck, souverän mit dem Rollstuhl zu den einzelnen Abteilungen manövrierte. Endlich im Keller angekommen, stellte sich dieser glückliche Umstand bald als Segen heraus.
Aufenthalt
Alles in allem hatte ich riesiges Glück gehabt. Die Ärzte verschonten mich mit weiteren nervigen Untersuchungen indem sie sich auf meine Therapie fokussierten. Mit meinen zwei Zimmergenossinnen verbrachte ich lustige und unterhaltsame Tage und Nächte. Wir unterstützten uns gegenseitig und irgendwie fehlt mir unsere kleine WG, auf Zeit, ein wenig. Denn in kurzer Zeit haben wir all unsere Höhen und Tiefen geteilt und trotzdem immer einen Grund zum Lachen gefunden. Tatsächlich war meist das Mittagessen der Höhepunkt des Tages, immer überraschend und einen Lacher wert. Zum Beispiel die gute „Nudelsuppe“ laut Plan, die so gänzlich ohne Nudeln daher kam. Dank Cafeteria, Kiosk und Besuchern haben wir überlebt. Danke liebe Inge und liebe Rosi das wir uns kennenlernen durften.
Endlich wieder zu Hause
Eigentlich freut sich jeder wieder nach Hause zu kommen. Mit gemischten Gefühlen trat ich die Heimreise an. Dunkel erinnerte ich mich, dass mich die hochdosierte Cortisontherapie schon das eine oder andere mal dezent in Schwierigkeiten bzw. auf eine Intensivstation gebracht hat. Die Liste der möglichen Nebenwirkungen bzw. Nebenerscheinungen ist endlos und bei jedem Menschen anders. Eigentlich heilt man in seinem gewohnten Umfeld, im Kreise seiner Liebsten am Besten. Doch für mich ging es jetzt erst richtig los. Als Andenken, hab ich mir eine Fetzen Erkältung, aus der Klink mitgebracht. So lang ich kurze Zeit später mit Fieber flach und war wieder mal, komplett lahm gelegt. Was sich irgendwie dieses Jahr erstaunlich oft wiederholt. Fieberwahn und die Wirkung des Cortions, waren ein Cocktail, der bis jetzt nichts Vergleichbares erlebbar machte. Ab und an hatte ich das Gefühl, blinde Wut und Hass wüteten in mir das Gipfelte in einem totalen emotionalen Zusammenbruch mit Weinkrämpfen am späten Nachmittag danach fiel ich meist in einen kurzen tiefen Schlaf um Nachts wieder hell wach zu sein. Dieses Schauspiel wiederholte sich einige Tage. Mein ganz persönlicher Alptraum. Ich kannte mich selbst nicht mehr, konnte meine Gefühlswelt und Empfindungen weder beeinflussen noch steuern. So brach alles völlig ungefiltert aus mir raus. Ein wahrer Höllentrip immer ganz nah an meinem persönlichen Wahnsinn. Letzen Sonntag fieberte ich noch mal richtig hoch, hatte eine Eingebung eines homöopathischen Mittels und endlich war Land in Sicht. Die Qual hatte ein Ende.

Positives
Bevor der Höllentrip los ging, hatte ich, bereits im Krankenhaus, die ein oder andere Eingebung. Vision oder wie auch immer es jeder für sich nennen möchte. Der Mensch, mit dem ich vorher noch alt werden wollte, verlor gänzlich seinen Glanz und Zauber. Plötzlich konnte ich ihn ganz klar sehen, nicht zu seinem Vorteil, den Kontakt habe ich gestern beendet. Was ich daraus mitnehme? Dass ich mich zu 100 % auf meine Intuition und auf mein Bauchgefühl verlassen kann. Es hat mir aufgezeigt, auch wenn ich etwas unbedingt will, bringt es nichts das Bauchgefühl zu ignorieren. Im Gegenteil. Um so schmerzhafter werden die Erfahrungen von Mal zu Mal. Auch kann ich meinen spontanen Eingebungen absolut vertrauen. Tatsächlich sehe ich ab und an meinem Gegenüber bereits an wenn irgendetwas nicht passt. Zumindest so geschehen in dieser besonderen Zeit. Das Wissen in mir war da, es war ganz klar was geschehen war und es stellte sich als Wahrheit her raus. Deswegen kann ich nicht Hellsehen oder ähnliches. Doch ab und an tief blicken :-).